Corona und Schule: Fluch, Chance und Erkenntnisquelle

Dr. Mag. Georg Fuchs

Das vergangene Schuljahr war besonders – gekennzeichnet von zusätzlichen Anstrengungen und Herausforderungen der anderen Art. Leider konnten hier nicht alle schritthalten sowohl auf Schüler*innen- wie auch auf Lehrer*innenseite.

In meinem näheren Umfeld jedoch war das gottseidank eher die Ausnahme. An dieser Stelle möchte ich dankend hervorheben, wie gut es uns in unserem Land geht, dass nämlich alle Schüler*innen einen Leihcomputer von der Republik Österreich gratis zur Verfügung gestellt bekommen haben, wenn nötig. Dass es das für Lehrer*innen nicht ebenso gegeben hat, verstehe ich allerdings nicht!

Onlineunterricht - Physik

Für so gut wie alle – Lehrer*innen und Schüler*innen – war der Umgang mit Videokonferenzen Neuland. Überall dort, wo sich beide Seiten bemüht haben, das Beste aus der Situation zu machen, hat das auch gar nicht so schlecht funktioniert. Natürlich ist der „K(r)ampf mit der Technik“ Nerv zehrend, aber mittlerweile gehört das ja wohl zu den zu beherrschenden Kulturtechniken! Ich konnte bei einigen Schüler*innen sogar beobachten, dass sie nicht nur souverän mit der mühsamen Situation umgegangen sind, sondern sogar weit über das hinausgewachsen sind, was ich von ihnen vor Corona gewohnt war! So wurden die neuen Kommunikationskanäle in zum Teil ungewohnter Weise genutzt. Es gab Minitreffen per Videokonferenz zu sonst ungewöhnlichen Zeiten, z.B. eine Besprechung mit einigen wenigen Schüler*innen zwischen 20 und 22 Uhr oder Eltern- besser gesagt Familiengespräche Freitag abends. Bis dahin undenkbar, dass sich ein Lehrer mit beiden Eltern im Beisein des Schülers um diese Zeit zu einem ausführlichen Gespräch trifft. Auch der Austausch mit manchen Kolleg*innen wurde effizienter. Nicht immer ganz einfach, für sich einen Grenzstrich zu ziehen, um zu verhindern, dass man aufgerieben wird. Aber eigentlich eine absolute Qualitätssteigerung für die Schulpartnerschaft!

Bei aller räumlichen Distanz kamen sich Schüler*innen und Lehrer*innen manchmal viel näher als im Regelfall. Wer etwas von sich zu Hause preisgeben wollte, konnte das. Ob das ein am Tisch liegendes Haustier war, oder einfach der Blick auf einen kleinen (vielleicht nicht geblurrten) Ausschnitt des Zimmers; es gab zahlreiche Anknüpfungspunkte. Highlights waren z.B. als eine Schülerin uns im Physikunterricht ein Experiment live vorgeführt hat, wozu sie uns per WLAN ins Badzimmer mitgenommen hat, um uns das Funktionieren ihres selbst gebastelten Uboots vorzuführen oder andere uns in ihrer Küche, dem Kinderzimmer etc. live Physik-Experimente vorgeführt haben. Wie wäre etwas Vergleichbares unter normalen Umständen möglich gewesen?

Ja, und dann gab es so viel Zeit in den Lockdowns. Zeit, die sinnvoll genutzt oder verplempert werden konnte. Manche Schüler*innen haben das perfekt hingekriegt! Ich habe mich u.a. sehr darüber gefreut, dass von sehr vielen Schüler*innen mein Angebot angenommen wurde, zu Hause Physik zu betreiben und dazu auch kurze Videos zu drehen. In diesem Jahr haben sich an die 100 Schüler*innen - Videos angesammelt. Ich habe sie – nachdem ich um Erlaubnis gefragt hatte – über Moodle den Klassenkolleg*innen zugänglich gemacht. Neben der direkten eine weitere Art, miteinander zu kommunizieren. Eine Auswahl findet sich unter diesem Link!

Superman-Geodreieck Rüchstoß

Wenn auch vieles neu war, manche Grundsätze, Verhaltensweisen und Fertigkeiten hätten eigentlich nur ein wenig adaptiert werden müssen, vorausgesetzt dass sie schon davor beherrscht wurden. So ist auch in dieser neuen Welt soziales Verhalten extrem wichtig. Ich erinnere mich mit Ärger daran, dass ich in manchen Klassen den Teilnehmenden alle Rechte entziehen musste, da sie einander immer wieder sekkiert hatten, indem sie einander elektronisch rausgeschmissen haben. Leider haben hier Bitten, Erklärungen und gute Worte nicht geholfen! Dafür kann Corona nichts. Dieses Problem wurde durch Corona lediglich offenbar.

Auch das altmodische Wort „Benehmen“ war wieder gefragt; etwas moderner „Netiquette“! Ja, wir sind jeder bei sich zu Hause während einer Videokonferenz, aber nein, wir sind zu dieser Zeit nicht privat. In manchen Schulen wurde sogar thematisiert, dass man vor einer Videokonferenz aufsteht und sich anzieht. Und nein, es ist nicht OK, wenn während des Onlineunterrichts parallel mit jemand anderem gechattet und bei stummgeschalteten Mikro gelacht wird, sodass man de facto nicht mehr am Unterricht teilnimmt; zumindest die Höflichkeit den anderen gegenüber würde gebieten, so etwas nicht zu tun. Ebenso die Art und Weise wie man (wenn überhaupt) während einer Videokonferenz isst oder trinkt. Der Einblick in die eigene Speiseröhre ist nicht nach jedermanns Geschmack. Ja, und als Konsequenz, die Kamera einfach abzudrehen ist natürlich auch keine Alternative. In die Präsenzunterrichtsituation übersetzt hieße das: Wenn ich im Unterricht aufpassen muss und nicht tun kann, was mir gerade einfällt, dann komm ich erst gar nicht!

Apropos Kamera: Bei realen (nicht elektronischen) Begegnungen, Gesprächen oder ganz allgemein bei der zwischenmenschlichen Kommunikation gilt es als unhöflich, den Blickkontakt seines Kommunikationspartners zu meiden. Das ist psychologisch sehr gut erklärbar. Der überwiegende Anteil der Kommunikation erfolgt ja nonverbal z.B. über Mimik und Gestik. In die Sprache der Onlinesituation übersetzt bedeutet das: Wenn du die Kamera abschaltest, nimmst du deinem Vis-à-vis die Möglichkeit, mit dir wirklich zu kommunizieren, so als würdest du deinen realen Gesprächspartner nicht ansehen, wenn ihr miteinander sprecht. Also eigentlich auch nichts Neues, wenn man ein bisschen sensibel bzw. reflektiert ist. Auch hier behaupte ich, dass die während Corona zu Tage getretenen Probleme im Grunde schon vorher bestanden haben und nur deutlicher sichtbar und eventuell verstärkt wurden!

Kraft ist Masse mal Beschleunigung

Im Schichtbetrieb habe ich alle Unterrichtsstunden stundenplankonform gehalten. Dabei habe ich – hybrid – die zu Hause befindlichen Leute per Videokonferenz eingeladen. Dort wo das funktioniert hat, war es so schön zuzusehen, wie die Schüler*innen in der Schule den zu Hause Befindlichen, die im Beamer zu sehen waren zugewinkt haben und umgekehrt. Jede*r konnte jederzeit aufzeigen, etwas sagen, Fragen stellen oder mitdiskutieren und zwar in Ton und Bild. Wie ich meine eine wertvolle soziale Interaktion in einer sozial ausgehungerten Zeit. Im Rückblick nicht überraschend, dass es in jenen Gruppen, wo das nicht funktioniert hat, bereits vorher (im Präsenzunterricht) ebenfalls nicht optimal war, nur weniger drastisch sichtbar. Denn wenn einer nach dem anderen beginnt die Kamera abzudrehen und es mir irgendwann auch zu blöd wird, immer wieder zu bitten, dann bleiben nur mehr wenige übrig, die dann, noch dazu wo sie am Bildschirm dann formatfüllend angezeigt werden, auch abdrehen. Ich meine, dass hier etwas sichtbar wird, was sonst genauso da sein kann: eine merkwürdige Art, sich zu genieren oder ein Desinteresse an den anderen. Für Personen, die ein Gefühl für Gemeinschaft haben, sollte das eigentlich fremd sein; mit oder ohne Corona!

Was ich sehr vermisst habe war eine Unterstützung durch die Bildungsdirektion. All die vorhin angesprochenen Probleme hätten von professionellen Personen thematisiert werden können und auch etwas Öffentlichkeitsarbeit hätte dazu gemacht werden sollen. So waren die, die guten Willens waren, auf sich gestellt und letztlich alleine gelassen. Vermutlich wären mir dabei auch eigene Fehler, von denen ich bis heute nichts weiß, besser bewusst geworden! Eine Unterstützung durch Mindestvorgaben für Videounterricht hätte Klarheit gebracht und so manche Grundsatzdiskussion über Selbstverständlichkeiten verkürzt. Mein Glück, dass ich trotzdem sehr oft die Erfahrung machen durfte, dass in dieser Ausnahmesituation doch sehr viel möglich ist uns auch tatsächlich verwirklicht werden kann.

Wir haben also sehr viel gelernt in dieser nicht einfachen Zeit. Über uns, über einander und es ist vieles sichtbar geworden; Schönes und weniger Schönes. Einige haben aus der Situation das Maximum herausgeholt; Corona war sozusagen ihre Chance, andere haben diese Chance nicht genützt und sind abgetaucht. Jedenfalls eine sehr interessante Erfahrung für mich, denn nur beim theoretischen darüber Nachdenken (ohne es tun zu müssen) wäre ich auf vieles nicht draufgekommen! Möge es keine Neuauflage geben! Falls doch, ein bisschen einen Vorsprung hätten wir vermutlich!

Bildergalerie

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